Ist das Content oder kann das weg? Wie ich den User zum Leser mache
Zu schnell wenden sich User von Webinhalten ab, wenn diese nicht die richtigen Knöpfe drücken. Nur wenige Sekunden müssen ausreichen, um den User zum Leser zu machen. Deshalb gilt es die journalistischen Ressourcen an die Anforderungen der World Wide Web Nutzer anzupassen. Dieser geht weit über den Print-Horizont hinaus.
Am Bildschirm lesen wir anders
Das Online-Leseverhalten differenziert sich stark von dem in der Printwelt. Wir befinden uns in einer Leserevolution. Da, wo wir uns früher die Zeit nahmen, bewusst und ohne Ablenkung zu lesen, überfliegen wir heute ganz nebenbei den meisten Online-Content. Unsere Aufmerksamkeitsspanne hat sich bedeutend verändert und gleicht der einer Fliege. Ok, ganz so schlimm ist es nicht. Acht Sekunden. Klingt erst mal nicht so tragisch. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem wir erkennen, dass sogar ein Goldfisch aufmerksamer ist. Eine ganze Sekunde länger nämlich. Darüber hinaus scannen wir Texte nach ganz gewissen Schemata.
Studien zeigen, dass wir digital zum Beispiel nach dem sogenannten „F-Schema“. Das Auge bleibt hängen. Es empfiehlt sich deshalb, die relevante Information, die den Leser fesseln soll, an den Anfang des Textes zu packen, da seine Konzentration hier noch am höchsten ist.
Neben unserer verminderten Rezeptionszeit spielen auch die vielen Verführungen im Internet eine große Rolle. Hier eine Werbung, da ein Pop-up und Schwupps ist unsere Geistesgegenwart entschwunden.
Wenn der Funke in acht Sekunden nicht übergesprungen ist? Next please! Und wenn wir beim Nächsten keinen Grund gefunden haben, weiterzulesen… Next! Solange, bis wir den Online-Limbus erreicht haben. Ein Ort, an dem sich all die User-Seelen aufhalten, die ohne eigenes Verschulden aus der Aufmerksamkeitsspanne ausbrachen (Sorry, Dante!). Wessen Schuld ist das? Und wie kann man den User davor bewahren, sich von Text zu Text zu klicken, ohne jegliche Informationen zu speichern? Da Schuldzuweisungen kontraproduktiv sind, soll stattdessen nachgegangen werden, wie man den Leser für sich gewinnen kann.
Wer langweilt, verliert
Vor dem Texten, empfiehlt es sich zunächst der Motivation der Leser nachzugehen. Folgende Gründe können User zu Lesern machen:
- Neugier: Das will ich unbedingt wissen
- Druck: Ich brauche eine schnelle Lösung
- Vorteil: Was habe ich davon?
- Angst: Ich muss verhindern, dass etwas passiert (Klassiker: Versicherungen, Urteile etc.)
- Zugehörigkeit: Schön, dass andere auch so denken
- Bestätigung: Habe ich es doch schon immer geahnt
Grundsätzlich gilt: Was (mich) polarisiert, das wird gelesen. Wenn ich als Leser am Thema uninteressiert oder nicht direkt betroffen bin, ist es unwahrscheinlich, dass ich den mir gebotenen Content konsumiere.
Der ungarisch-amerikanische Journalist Josef Pulitzer ist lange vor dem Internetzeitalter einzuordnen, dennoch kann seine Regel für das Online-Texten adaptiert werden. Bedient man sich seiner simplen Regel, heckt man sich erfolgreich in das Gedächtnis der User/Leser:
Was immer du schreibst,
- schreibe kurz, und sie werden es lesen,
- schreibe klar, und sie werden es verstehen,
- schreibe bildhaft, und sie werden es im Gedächtnis behalten.
Maßgeschneiderte Texte als Massenware
Nur ein verständlicher Text ist ein guter Text. Warum? Weil er einem breiten Publikum zugänglich ist und seine Wellen dadurch viel höher schlagen. Jeder Content, der auf eine Verschriftlichung abzielt, braucht zunächst ein Konzept. Essentiell sind deshalb folgende zwei Fragen zu beantworten: Was ist wirklich wichtig? Und was gehört zu meinem Thema? Die Leser werden sich nicht an den Text anpassen. Umso wichtiger ist es, das Zielpublikum in der Schaffensphase im Hinterkopf zu behalten.
Nicht außer Acht zu lassen ist ebenso die Struktur des Textes. Kurze Sätze lockern auf. Deshalb gilt: Lieber Punkt als Komma. 14 bis 20 Wörter pro Satz sind optimal für den Lesefluss, mehr sollten es nicht (oder nur in Ausnahmefällen) sein. Bei Informationen gilt: Weniger ist mehr. Eine, maximal zwei Infos pro Satz sind ausreichend. Wir wollen es vermeiden, den Leser mit Nachrichten zu erdrücken. An dieser Stelle könnte der User als Leser verloren gehen. Darum sei vermerkt: Eine Informationsüberdosis ist dem Lesefluss sein Tod!
Sparkurs fahren heißt es auch im Umgang mit Silben. Bis zu fünf sind in Ordnung, mehr sollten es nicht sein. Finger weg von Endungen wie –ung, -keit, -mus, -tät, -heit. Sie machen Wörter lang und stören sowohl Auge, als auch Lesefluss.
Womit Texter allerdings großzügig um sich schmeißen können-sollen-dürfen: Emotionen! Emotionales Texten bindet und schafft Nähe. User kommen auf eine Website, um:
- zu wissen, worum es geht
- sich angesprochen fühlen (Wer spricht mit mir? Sprechen die meine Sprache?)
- Fragen beantwortet zu bekommen
- etwas Interessantes finden
- merken, dass sie richtig sind.
Fazit: Beherzigst du alle oben genannten Anregungen für webgerechtes Texten, so bedeutet das nicht, dass dein Output von Anfang bis Ende gelesen, gespeichert oder gar geteilt wird. Deine Chancen stehen jedoch deutlich höher, wenn du es tust.